Land in Sicht, eine Donaureise mit Vatersuche

Buchbesprechung Land in Sicht, Roman von Ilona Hartmann

Land in Sicht, Erstlingsroman von Ilona Hartmann

Um das Erstlingswerk von Ilona Hartmann gab es fast schon einen Hype. Frisch, witzig und originell – so das Medienecho. Die mit „Feuchtgebiete“ bekannt gewordene Autorin Charlotte Roche findet das Buch „urkomisch“ und spricht von einem „großen Talent“. Selbst der Spiegel widmet dem Roman „Land in Sicht“ eine ausführliche Rezension.

Leider kann ich mich diesen Lobeshymnen nicht anschließen. Zugegeben, das Buch ist reich an originellen Formulierungen und Bonmots. Doch das macht es noch lange nicht zu einem guten Roman. Die Geschichte, die Hartmann auf rund 160 Seiten erzählt, ist letztlich banal und realitätsfern.

Vater-Tochter-Begegnung ohne Tiefgang

Worum geht es? Jana Bühler – jung, Wahlberlinerin, pro forma Studentin mit wechselnden Nebenjobs – ist auf der Suche nach ihrem Vater, der ihre Mutter noch vor ihrer Geburt verlassen und den sie nie kennen gelernt hat. Bei einer Internetrecherche stößt sie auf die Homepage und eine Fotografie ihres Vaters. Er arbeitet als Kapitän auf einem Donauschiff. Also bucht Jana kurzerhand eine Donaureise und hofft auf eine gute Gelegenheit, sich Kapitän Milan Blažek als leibliche Tochter zu erkennen zu geben. Was folgt, ist eine Begegnung mit wenig Tiefgang. Die Autorin beschreibt den Vater als unsteten Weltenbummler und Abenteurer, mit wenig Geschmack, aber sehr viel Ego. Milan Blažek ist bindungsscheu und bewegt sich vorzugsweise am Rande der Legalität und in billigen Kneipen. Auch das könnte interessant erzählt sein, ist aber nicht.

Eine Donauflussreise ohne Realitätsbezug

Nun zur Rahmenhandlung: eine Donaureise auf der MS Mozart von Passau nach Wien und wieder zurück. Hier stimmt einfach nichts. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Autorin jemals an einer Flusskreuzfahrt auf der Donau teilgenommen hat. Auch wenn sie ihre Social-Media-Follower dies glauben lassen möchte. Die Unstimmigkeiten gehen schon damit los, dass die im Roman geschilderte Fahrt in Passau startet, und das Schiff erst am nächsten Tag für den ersten Landgang Engelhartszell erreicht. Der Ort Engelhartszell ist jedoch nur einen Katzensprung von Passau entfernt. Deshalb starten viele Donauschiffe statt von Passau lieber gleich von Engelhartszell aus und ersparen sich damit die dazwischen liegende Schleuse Jochenstein. Doch in Passau zu starten und dann in Engelhartszell einen ganzen Tag zu verplempern, ist reiner Humbug. Keine Schiffahrtsgesellschaft würde das machen!

Ebenso ist die Schilderung, wie Jana Bühler beim Joggen in Engelhartszell mal eben das Schiff verpasst, hanebüchen. Auf einem echten Schiff geht niemand ungesehen von Bord und nimmt dabei auch noch seinen Kabinenschlüssel mit! Außerdem haben moderne Flusskreuzfahrtschiffe längst keine altmodischen Kabinenschlüssel mehr, sondern Multifunktions-Keycards wie im Hotel. Jeder Passagier, der von Bord geht, wird registriert oder bekommt eine Landgangkarte ausgehändigt.

Auch die Beschreibung der fiktiven MS Mozart – vom Plastikgummibaum über Duftspender bis hin zu schmatzenden Kunststoffsesseln – mag vielleicht ganz witzig sein, hat aber wenig Realitätsbezug. Die reale MS Mozart ist eines der Top-Schiffe auf der Donau und gehört zum Luxussegment mit großem Pool, erstklassiger Aausstattung und Butlerservice. Umfangreiches Filmmaterial hierzu ist auf Youtube ( MS Mozart gechartert von  DERTOUR und Crystal River Cruises) verfügbar.

In „Land in Sicht“ werden insgesamt vor allem die üblichen Negativklischees bedient: Auf einer Kreuzfahrt findet man nur alte Leute, eine hässliche Schiffsausstattung und ein mieses Unterhaltungsprogramm. Deutlich wird: Die Autorin findet Flussreisen öde und langweilig. Dabei ist die Route Passau-Wien landschaftlich besonders reizvoll und abwechslungsreich. Das Adjektiv „langweilig“ hingegen passt viel eher für den allzu nachlässig recherchierten Erstling „Land in Sicht“.

Fazit und Kaufhinweis

Diesmal von mir keine Empfehlung. Aber die Geschmäcker sind nun mal verschieden. Wer sich für dieses Buch interessiert: „Land in Sicht“ gibt es als Hardcover (18,-Euro), Audio-CD und Kindle. Erhältlich u.a. bei JPC oder Amazon.