Westeuropareise mit dem ehemaligen Traumschiff MS Berlin

Schiffsreise mit der MS Berlin, Reisebericht
MS Berlin, Foto: FTI Cruises

Reisebericht, Bewertungen, Erfahrungen

Längst wieder daheim, doch wenn ich die Augen schließe, fühlt es sich an, als würde der Boden wie auf dem Schiff noch leicht schwanken. Ein guter Zeitpunkt, um unsere Reiseeindrücke niederzuschreiben. Elf Häfen in 15 Tagen, eine abwechslungsreiche Kreuzfahrt (24.5.-7.6.2019), reich an Eindrücken und Erlebnissen, bei herrlichem Wetter und geringem Wellengang, liegt hinter uns. Die MS Berlin mit ihren 206 Kabinen ist ein kleines und familiäres Schiff. Kontakte sind schnell geknüpft, zwischen den Gästen und auch zur Besatzung. Mit an Bord ein ganz besonderer Kreuzfahrtgast: der Kapitän der ersten Stunde, Harry H. Biehl.

Kapitän a. D. Harry H. Biehl erinnert sich

Harry H. Biehl wirkt auf mich wie ein Kapitän aus dem Bilderbuch. Bei unserem Gespräch in der Schiffsbibliothek lerne ich einen gutgelaunten Weltenbummler mit Esprit, Erzähltalent und positiver Ausstrahlung kennen. Das Zuhören macht Spaß und ich hoffe, Harry hat mir kein Seemannsgarn aufgetischt.

Gespräch mit Kapitän Harry. H. Biehl in der Bibliothek der MS Berlin

Als Kapitän der ersten Stunde kennt Biehl die MS Berlin schon aus der Bauphase. Anders als heute üblich waren Kapitän und leitender Ingenieur beim Bau des Schiffes 1979 in der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG in Kiel mit dabei. Dabei wollte Biehl eigentlich lieber auf einem Frachtschiff arbeiten, denn ein Kreuzfahrtschiff zu steuern, war in den Augen des jungen Kapitäns gar keine „richtige Seefahrt“. Doch der Reeder Peter Deilmann besaß große Überzeugungskraft und noch größere Hartnäckigkeit. Harry H. Biehl übernahm das Steuer vom Stapellauf an 14 Jahre lang bis 1994.

Gerne erinnert sich Biel an seinen Arbeitgeber und Freund, den Reeder Peter Deilmann. Unvergessen ist z. B. ein Spezialauftrag in St. Petersburg. Peter Deilmann war ein begeisterter Kunstsammler, der viele seiner Gemälde auch auf seinen Luxusschiffen ausstellte. Um trotz Ausfuhrbeschränkungen an ein Bild der Petersburger Schule zu gelangen, bat er Biehl, ihm behilflich zu sein. Biehl hatte gute Kontakte zur russischen Kunstszene, zu Behörden und dem russischen Zoll. Nicht ohne Stolz erzählt er vom Gelingen dieses Gemäldekaufs und wie er das Bild, zusammengerollt unter einem weiten Arbeitsoverall, an Bord gebracht hatte.

Ein bisschen Südsee auch auf unserer Westeuropareise: Melonenschnitzerei mit Artischocken

Biehl kennt seine MS Berlin vor allem als Luxusschiff. Alles vom Feinsten, Geld spielte keine Rolle. „Ich konnte Champagner schon nicht mehr sehen“, erinnert sich der inzwischen 80-Jährige. In den frühen Jahren war das Verhältnis Passagiere/Besatzung etwa 1 zu 1. Es wurden erlesene Speisen und Getränke serviert, und das Schiff fuhr Häfen an, die zuvor noch kein deutsches Kreuzfahrtschiff besucht hatte. Entsprechend herzlich war die Begrüßung. Auf einer Südseeinsel – so Biehl – sei der Häuptling an Bord gekommen, um das ganze Schiff, also alle Gäste und die gesamte Mannschaft zu einem festlichen Abendessen unter freiem Himmel einzuladen.

Auf die Frage, ob es einen bestimmten Grund gäbe, dass er heute als Passagier auf der MS Berlin unterwegs sei, verneint Biehl und erklärt, seine Frau sei jetzt die große Kreuzfahrerin, und sie habe kurzerhand diese Reise gebucht.

Von 1986 bis 1998 war die MS Berlin „Das Traumschiff“ für die gleichnamige ZDF Reihe. Alles begann – so Biehl – mit einem Anruf des Reeders Peter Deilmann: „Morgen im Hafen von Piräus bekommst du Besuch.“ An Bord kam eine Delegation des ZDF. Mit dabei Traumschiff-Produzent Wolfgang Rademann auf der Suche nach einer neuen Location für die Fortsetzung und Neuausrichtung der Erfolgsserie. Die MS Berlin war das zwanzigste Schiff auf der Besichtigungstour. Doch schnell war klar, dieses Schiff sollte es sein.


Obwohl das Schiff sehr klein ist, lief während der Dreharbeiten der normale Kreuzfahrtbetrieb weiter. Nur ein Teil der Kabinen wurde mit dem Fernsehteam (ca. 100 Personen), der Rest mit normalen Kreuzfahrtgästen belegt. So konnte verhältnismäßig günstig produziert werden. Doch günstig war noch nicht günstig genug. Trotz Spitzeneinschaltquoten folgten Budgetkürzungen. Biehl ist davon überzeugt, dass die ersten Folgen die besten waren. Für jede Folge wurden 14 Drehtage auf dem Schiff und 14 Drehtage an Land angesetzt. Später wurden die Drehtage an Land auf ein Minimum zusammengestrichen. Biehl ist auch ein Fan der alten Besetzung. Ganz besonders gefiel ihm Heinz Weiss in der Rolle des Kapitäns. Dass heute Florian Silbereisen die Rolle verkörpert, kommentiert Biehl mit einem Kopfschütteln.

  • Die Bibliothek ist für viele Gäste nicht nur Ort zum Lesen. Hier wird auch Karten gespielt, am Laptop gearbeitet und Tagebuch geschrieben.

Im Vergleich zu früher, so zieht Biehl Bilanz, habe sich natürlich auf dem Schiff vieles verändert, aber das sei normal. „Es war halt damals eine andere Zeit.“ Das Einzige, was er vermisse, sei die unbeschwerte Leichtigkeit, Freude und gute Stimmung, die früher unter den Gästen vorgeherrscht habe. Heute dagegen sähe man auch schon mal schlechtgelaunte Gesichter. Stimmt, denke ich und schenke Kapitän Biehl ein ermutigendes Lächeln.

Fast jeden Tag ein neuer Hafen

Eine Reise mit der MS Berlin zeichnet sich vor allem durch abwechslungsreich gestaltete Routen und viele kleine, nicht so häufig angefahrene Häfen aus. Bei einem Blick auf die Jahresplanung konnte ich feststellen, dass sich die Routen nicht wiederholen. Für keine Reise gibt es mehrere Auswahltermine. Selbst im vielbefahrenen Mittelmeer werden die Destinationen ständig neu kombiniert. Einer langen Route folgt eine kurze Reise usw. Das liegt sicher auch daran, dass die MS Berlin eine große Fangemeinde und viele Stammkunden hat, die auf „ihrem Schiff“ immer neue Reiserouten erleben möchten.

Besonders malerisch ist der Hafen von Cartagena. Die MS Berlin liegt direkt hinten den Yachten.

Unsere Reiseroute


Tag  /  Hafen /  Aufenthalt

Fr 24.05.19  /  Nizza – Frankreich  /  Abfahrt 16:30
Sa 25.05.19  /  Barcelona – Spanien /  13:00 – 23:00
So 26.05.19 /  Valencia – Spanien /  13:00 – 18:00
Mo 27.05.19 /  Cartagena – Spanien /  08:00 – 14:30
Di 28.05.19 /  Málaga – Spanien /  07:00 – 23:59
Mi 29.05.19 /  Erholung auf See
Do 30.05.19 /  Lissabon – Portugal /  Ankunft 07:00
Fr 31.05.19 /  Lissabon – Portugal Abfahrt /  15:00
Sa 01.06.19 /  Leixões – Portugal /  07:00 – 14:00
So 02.06.19 /  La Coruna – Spanien /  07:30 – 16:00
Mo 03.06.19 /  Bilbao – Spanien /  12:30 – 18:30
Di 04.06.19 /  Erholung auf See
Mi 05.06.19 /  Cherbourg – Frankreich /  08:00 – 17:00
Do 06.06.19 /  Erholung auf See
Fr 07.06.19 /  Bremerhaven – Deutschland /  Ankunft 07:00

Wir starten in Nizza und fahren um die gesamte iberische Halbinsel. Die Reise endet in Bremerhaven.

Ausschnitt Tagesplan Valencia

Die MS Berlin zum ersten Mal in Bilbao

Auf unserer Westeuropareise durften wir in Sachen Häfen eine Premiere feiern. Die MS Berlin besuchte zum ersten Mal Bilbao, die Hauptstadt des Baskenlandes. Am Hafen wurden die Kreuzfahrtgäste von einem musizierenden Paar in Tracht empfangen.
Vom Hafen bis zum Guggenheim Museum sind es etwa 17 km. Also kein Spaziergang! Eine freundliche Dame am Infoschalter im Hafengebäude versorgte uns mit Plänen vom Hafenvorort, der Innenstadt und der U-Bahn – sodass wir problemlos Bilbao auf eigene Faust erobern konnten. Wer es bequemer wollte, konnte einen Ausflug buchen oder den Shuttlebus (17,- Euro für die Hin- und Rückfahrt) nutzen.
Es ist bei Kreuzfahrtschiffen ein schöner Brauch, dass eine Galerie mit kleinen Schildern an die angefahrenen Häfen erinnert. Auch für Bilbao gibt es nun ein nagelneues Hafenschild, das sicherlich schon bald seinen Platz in der Sammlung einnehmen wird.

  • Im Cruise Terminal von Bilbao gibt es einen Infoschalter mit persönlicher Beratung.

Mit einem kleinen Schiff in kleine und große Häfen

Auf unserer Route konnten wir uns von den Vorteilen eines kleinen Schiffes überzeugen. Das begann schon in Nizza. Nizzas innerstädtischer Hafen kann nur Yachten und sehr kleine Schiffe wie die MS Berlin aufnehmen. Anders sieht es in Barcelona aus. Hier können auch riesige Kreuzfahrtschiffe anlegen. Allerdings weit draußen und nur mit Shuttlebus-Anbindung. Mit der MS Berlin kamen wir fast bis zur Kolumbussäule (Mirador de Colombe, Google Maps) . Von dort ist es dann nur ein Katzensprung bis zur Vergnügungsmeile La Rambla.

Auch in Malaga hatten wir einen Größenvorteil. Unsere Anlegestelle, der Palm Grove Terminal (Google Maps) befindet sich direkt vor der Promenade, in unmittelbarer Nähe zur Kathedrale und nur einen kurzen Fußweg von maurischen Festung- und Palastanlage Alcazar entfernt.
Ich erinnere mich noch gut an meinen letzten Malagabesuch mit der MS Artania. Die Artania mit etwa 1200 Passagieren gehört auch noch zu den kleineren Schiffen, dennoch ist sie wohl zu groß für den stadtnahen Kreuzfahrtterminal. Mit der Artania lagen wir weit draußen im Malaga Cruise Terminal (Google Maps) und benötigten einen Shuttlebus.

Der Cruise Terminal Lissabon liegt im Altstadtviertel Alfama

Der Kreuzfahrthafen von Lissabon bietet für alle Schiffe eine Toplage. Der Terminal befindet sich direkt vor dem Fadomuseum, in der Nähe von kleinen Restaurants, teilweise auch mit Fadomusik, im Altstadtviertel Alfama.

Es versteht sich fast von selbst, dass wir in den kleineren Hafenstädten Cartagena, La Coruna und Cherbourg ganz nah an den Sehenswürdigkeiten anlegen konnten.

Nur in Valencia, Leixões/Porto und Bilbao liegt der Hafen weiter entfernt vom Zentrum. In allen drei Städten gibt es jedoch eine Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel oder Shuttlebus (hin und zurück 10 bis 17 Euro).

 

Praktische Tipps: Unterwegs auf eigene Faust

Außer einem Ausflug zum Pilgerort Santiago de Compostela haben wir alle Reiseziele auf eigene Faust erobert. An der Rezeption der MS Berlin erhielten wir für jeden Hafen einen kleinen Übersichtsplan, und wenn das nicht ausreichte, auch einen Google-Maps-Ausdruck von speziellen Zielen.

Außerdem gab es in den meisten Häfen kostenfreies Infomaterial und Stadtpläne. Für die kleinen Hafenstädte Catagena, La Coruna und Cherbourg genügte ein Übersichtsplan. Wer einigermaßen gut zu Fuß ist, braucht in diesen drei Städten keine öffentlichen Verkehrsmittel. Anders sieht es in den Großstädten aus.

1. Nizza

Vom Flughafen in die Altstadt fährt der Flughafen-Expressbus mit der Nummer 98. Die Fahrkarte kostet 6 Euro und ist am Flughafen-Busbahnhof erhältlich. Die Fahrkarte gilt für die Dauer von 74 Minuten. Umsteigen in andere Verkehrsmittel ist in dieser Zeit möglich. Wir sind bis zur Endstation „Promenade des Arts“ gefahren und dann mit unseren Rollenkoffern ein kurzes Stück zu Fuß bis zum Hafen gegangen. Wer möchte, kann aber auch noch zwei Stationen bis „Le Port“ mit dem Stadtbus (Linie 3,7,9,10) fahren. Am Hafen befinden sich zwei Terminals. Unser Terminal 1, der übrigens einen verkommenen und wenig einladenden Eindruck macht, liegt links von den Yachten. Innerhalb des Hafenbereiches pendeln kleine kostenfreie Shuttlebusse (Navette gratuite). Zu Fuß sind es von der Bushaltestelle „Le Port“ bis zum Schiff etwa 15 Minuten.

Buchtipp: Mord d’Azul von Jörg Armbrüster
Das Erstlingswerk des Wiesbadener Autor ist ein lesenswerter Stierkampfkrimi und zugleich eine Liebeserklärung an Nizza. Buchbesprechung und Bestellhinweise

 

 

2. Barcelona

In Barcelona stehen am Hafenterminal oder an der Kolumbussäule Hop-On/Hop-Off Busse. Wir haben uns jedoch für den öffentlichen Nahverkehr entschieden. Es gibt Einzelkarten für 2,- Euro oder eine 10er Karte T10 (übertragbar, von mehreren Personen gleichzeitig nutzbar, Umsteigen ist möglich) für 10,20 Euro. Das T10 Ticket haben wir gleich an der Metrostation Drassanes (Beginn der Rambla, Nähe Kolumbussäule) besorgt. Mit der Einzelkarte oder dem 10er Ticket können Sie grundsätzlich mit allen öffentlichen Verkehrsmittel inklusive dem Funicular (Standseilbahn) zum Montjuic fahren.

3. Valencia

Der Hafen liegt außerhalb im Gewerbegebiet. Wir kamen am Sonntag an und die Tourist-Information im Hafen war geschlossen. Doch gleich nachdem wir das Hafengebäude verlassen hatten, sahen wir ein Hinweisschild mit Wegweiser zur Bushaltestelle. Wir mussten nicht lange auf den Bus warten. Mit der Linie 4 fuhren wir für 1,50 Euro pro Person direkt ins Zentrum von Valencia.

Der Kreuzfahrthafen Valencia liegt im Gewerbegebiet.

4. Lissabon

Mein letzter Aufenthalt in Lissabon ist noch nicht lange her, und ich kann die Stadt und die öffentlichen Verkehrsmittel wärmstens empfehlen. Wir waren also entschlossen, im nächsten Tabakgeschäft eine Tageskarte zu erwerben. Doch es war ein heißer Tag und die Hop-On/Hop-Off Busse der verschiedenen Anbieter standen direkt vor dem Terminal. Bequemer geht’s halt nicht und wir wollten uns bei der Hitze nicht übernehmen. Dazu ein Hinweis: Es gibt drei Anbieter. Ich empfehle Yellow-Bus, denn mit Yellow Bus können Sie nach Bedarf auch die öffentlichen Verkehrsmittel und sogar die legendäre Tram 28 benützen. Die Straßenbahn der Linie 28 fährt durch die engen Gassen der Stadtteile Graca, Alfama und Baixa und gilt als Touristenattraktion. Also wenn vor dem Cruise Terminal nur rote Busse stehen, lieber ein bisschen auf den gelben Bus warten.


5. Leixoes/Porto

Vom Hafenstädtchen Leixoes fährt ein öffentlicher Bus in die Altstadt von Porto. Wir hatten aber nur ein paar Stunden Zeit für unseren Portobesuch und entschieden uns für den Shuttlebus. Auch im Leixoes Hafenterminal gab es einen Empfangsschalter mit Stadtplänen und Infos. Wer den öffentlichen Bus benutzen wollte, bekam dort eine Wegbeschreibung und Infos zu den Busverbindungen.

2020 waren wir ein zweites Mal in Porto. Bei unserer Douro-Flusskreuzfahrt hatten wir reichlich Zeit für die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Mehr dazu in unserem Reisebeitrag und den Lesetipps
Douro-Flusskreuzfahrt mit nicko cruises
Dumont-Reiseführer Porto von Jürgen Strohmaier
– Portokrimis von Mario Lima und Hanne Holms

6. Bilbao

Vom Hafen Bilbao ist der Metrohaltestelle Neguri der Linie 1 in 20 Minuten zu erreichen. Der Weg führt entlang imposanter Villen und parkähnlicher Grünflächen. Auch ein kleiner Abstecher zum Strand ist empfehlenswert. Wer zum Guggenheim Museum möchte, steigt an der Station Moyua aus. Wer die Altstadt besichtigen möchte, fährt zwei Stationen weiter bis nach Casco Viejo. Eine einfache Fahrt kostet 1,80 €. Der Fahrtkartenautomat ist mehrsprachig und leicht zu bedienen. Servicekräfte helfen an der Station Casco Viejo Ortsfremden und Touristen beim Fahrkartenkauf.

 

Auf den Spuren vergangener Traumschiff-Herrlichkeit

Bis 1998 wurde auf der MS Berlin die ZDF-Serie „Das Traumschiff“ gedreht. Diese Zeit ist nicht vergessen und die Erinnerung daran wurde während unserer Reise durch Videoabende mit Ausstrahlung alter Traumschiff-Episoden lebendig gehalten.
Die MS Berlin wird nun bald 40 Jahre alt, sie hat mehrfach den Besitzer gewechselt und wurde mehrmals umgebaut bzw. modernisiert. Trotz zahlreicher Veränderungen blieben viele bauliche Eigenheiten und die maritime Ausstrahlung des Schiffes erhalten. Das ist nicht nur für viele Stammgäste sehr wichtig. Bei manchen jüngeren Gästen hat der Charme vergangener Zeiten Kultcharakter.

Andererseits hat ein altes Schiff auch seine Macken. Es gibt Einschränkungen, mit denen sich die Kreuzfahrer arrangieren müssen. So sind nicht nur das unterste Fitnessdeck, sondern auch die beiden oberen Decks mit ihren Liegenflächen, Kabinen und den beiden Grand Suites nicht über einen Fahrstuhl, sondern nur über Treppen zu erreichen. Auf dem Schiff gibt es überhaupt nur einen einzigen Fahrstuhl, und der ist sehr klein.
Ebenfalls winzig klein ist der Pool. Er befindet sich im Außenbereich des Veranda-Restaurants. Während unserer Reise war der Pool nur zweimal mit Wasser gefüllt. Das lag daran, dass das Wasser im Minipool auch bei geringem Seegang gerne überschwappt, und dass auch wenig Interesse an einem Bad mitten im Restaurantbereich bestand.
Ganz oben auf dem Schiff, in der Berlin Lounge, wäre zwar theoretisch Platz für einen größeren Pool, aber nach oben geht es nur über steile und enge Außentreppen. Diese Treppen sind zwar für maritime Nostalgiker eine Augenweide, aber ganz bestimmt nicht für Badelatschen geeignet. Auch von der Statik her würde es wohl sicherlich Probleme mit einem Pool auf dem Sonnendeck geben.

Früher gab es noch einen kleinen Innenpool neben der Sauna auf dem untersten Deck. Dort sind heute moderne Fitnessgeräte. Diese nur über eine Treppe erreichbaren Räumlichkeiten, tief im Bauch des Schiffes, machen einen topgepflegten Eindruck, wurden aber kaum besucht.
Wer also richtig schwimmen will, sollte beim Landgang einen Strandbesuch einplanen und den Pool auf dem Schiff als Dekoration betrachten.

Ruhe und ein wenig Nostalgie in der Kabine

Schubladentresor

Nun zu unserer Kabine: Viel Holz, geräumig, zweckmäßig, solides Mobiliar. Passt! Bademantel, Fön, Minibar, Flachbildschirm und Klimaanlage (nicht verstellbar) sind vorhanden. Statt mit einem modernen Zahlentresor sind die Kabinen mit einer absperrbare Schublade ausgestattet. Die Kabinentür wird auch nicht wie sonst üblich mit einer Keycard, sondern noch mit einem richtigen Schlüssel verschlossen, der an einem großen Holzanhänger hängt. Das ist zwar nicht besonders praktisch, aber hübsch und nostalgisch.
Unsere Kabine ließ sich gut verdunkeln und war sehr ruhig. Übrigens befinden sich alle Kabinen auf der MS Berlin im mittleren oder vorderen Teil des Schiffs. Das ist sinnvoll, denn im unteren Restaurant (hinten im Schiff) sind durchaus Geräusche und Vibrationen wahrnehmbar. Aber hier wird schließlich nicht geschlafen, sondern geschlemmt.

Guten Appetit!

Da sind wir auch schon beim Thema „Speisen und Getränke“. Küchenchef Thomas Heinzel kommt aus Deutschland und kennt den Geschmack der Gäste. Das Essen schmeckt ausgezeichnet. Aber es ist keine Sterneküche. Also kein Hummer, keine Austern, keine Stubenküken oder Wachteleier – dafür Rinderroulade, Sauerbraten, Königsberger Klopse oder auch einmal Berliner Currywurst. Sowohl im Büffet- als auch im Bedienrestaurant hat der Gast die Wahl zwischen Fisch-, Fleisch- und vegetarischen Gerichten.
Doch vielleicht sagen Bilder mehr als viele Worte. Ich habe die Menükarte für das Begrüßungs-Galaessen sowie die einzelnen Gänge fotografisch festgehalten.

  • Zweierlei Tartar von Lachs und Rinderfilet auf Gurkencapaccio mit Wasabi Creme und Rote Beete Dip

Vielleicht interessiert auch ein Blick in die Getränkekarte. Alle gekennzeichneten Getränke sind im Getränkepaket „All Inclusive“ (24,- Euro pro Person und Tag, ab 2020 26,-Euro) enthalten.

 

Bewegung, Sport, Gesundheit

Es ist fast unmöglich auf einer Kreuzfahrt, nicht ein paar Pfunde zuzulegen. Doch auf unserer Reise konnten wir auch etwas für unsere Gesundheit und Fitness tun.
Die beiden Wissenschaftslektoren Prof. Dr. Helmut Lötzerich und Prof. Dr. Wolfgang Kemmler hielten fundierte Vorträge z. B. zu folgenden Themen „Schlank im Schlaf“, „Steinzeiternährung Paleo“ , „Gesunde und leichte Beine“, „Elektromyostimulation für Senioren“, „Lauf-Intervalltraining“, „Energiestoffwechsel“, „Sport für ein gesundes Herz“.
Außerdem wurden zwei- bis dreimal täglich Bewegungs- und Fitnesskurse angeboten. Angefangen von Pilates, Power Yoga, „Bauch, Bein, Po“ über Wirbelsäulengymnastik, Übungen mit Theraband, Dehnen und Stretchen, Ganzkörpertraining bis zum Zumba-Tanzkurs mit Kreuzfahrtdirektor Stelios Vafiadis.

 

Testimonials – Interviews mit Mitreisenden

14 Tage auf der MS Berlin, das bedeutet auch viele Gespräche und sehr nette Bekanntschaften. Dabei konnte ich feststellen, dass viele Gäste Wiederholungstäter waren. Die MS Berlin hat eine große Fangemeinde und zahlreiche Stammgäste. Einige Gäste durfte ich für diesen Beitrag interviewen. Dafür herzlichen Dank.

Johanna (27 Jahre) und Janine (23 Jahre) aus dem Raum Nürnberg unterwegs mit der MS Berlin
Johanna (27 Jahre) und Janine (23 Jahre) aus dem Raum Nürnberg

Die beiden Freudinnen Johanna und Janine gehören zu den wenigen jungen Gästen. Mir sind die beiden aufgefallen, weil die zwei sich keinen Spaß entgehen ließen, bei allen Shows, beim Sportprogramm und sogar beim Bingo dabei waren. Für Johanna ist es die erste Kreuzfahrt, während Janine schon einmal mit einem AIDA-Schiff unterwegs war. Die beiden fanden schnell Kontakt zum jungen Entertainment-Team (Showtanz, Gesang, Magie), hatten interessante Gespräche und konnten viel über die Arbeit der Künstler erfahren. Die beiden genossen sichtlich die Reise, würden sich aber noch mehr Angebote für jüngere Leute wünschen, z. B. mehr Party und Tanzmusik.

Helga (82 Jahre) aus Dresden
Helga (82 Jahre) aus Dresden

Helga ist Witwe und allein unterwegs. Sie ist mit dem Verlauf der Reise und dem Schiff rundum zufrieden und trotz mehrfacher Nachfrage, fällt ihr nichts Negatives ein. Ich begleite sie auf ihre Kabine auf dem Brückendeck. Die Möblierung und das Bad wirken neuer und ansprechender als in unserer Kabine auf dem Hauptdeck, aber dafür ist Helgas Kabine nur über eine Treppe zu erreichen. Trotz Gehstock bereitet das der 82jährigen Helga keinerlei Probleme. Sie ist auch nicht zum ersten Mal auf der MS Berlin und plant eventuell eine weitere Reise z. B. nach Irland. Helga ist vor allem an Bildungsreisen interessiert. Erholung und Entertainment sind für sie nebensächlich. Sie war auch schon einmal mit der Aida und mit der MSC Orchestra unterwegs, doch die kleine MS Berlin sagt ihr wesentlich mehr zu. Gerade als Alleinreisende bevorzugt sie ein kleines Schiff. Da die Zahl der Gäste überschaubar ist, sei es leicht in Kontakt zu kommen. (Anmerkung: Auf der MS Berlin wurden auch Treffs für Alleinreisende angeboten.) Besonders erwähnenswert findet Helga die Sauberkeit auf die Schiff, die Höflichkeit des Personals und die Kochkunst des deutschen Kochs. Das abendliche Unterhaltungsprogramm kann Helga nicht beurteilen. Die Bordshows interessieren sie eigentlich nicht. Allerdings die Crew-Show am vorletzten Abend ließ sich auch Helga nicht entgehen. Das war gut so, denn die Show war ein Riesenspaß und bleibt ein unvergessener Höhepunkt der Reise.

Peter (55 Jahre) und Heike (46 Jahre) aus Kassel
Peter Schäfer (55 Jahre) und Heike Müller (46 Jahre) aus Kassel

Heike und Peter sind zum dritten Mal mit der MS Berlin auf Kreuzfahrt. Die beiden sind mir schon am Anfang der Reise aufgefallen. Sie gehören zu den wenigen Gästen, die gerne nachts mit Wollmütze und warm eingepackt auf dem Oberdeck das Meeresrauschen und den Sternenhimmel genießen. Heike liebt diese ruhigen Momente und spricht von einer „Seelenreise“. Die beiden schätzen den familiären Charakter und das Gefühl, nicht in einem schwimmenden Hotel sondern auf einem richtigen Schiff zu sein. Heike genießt es, verwöhnt und als Gast hofiert zu werden. Sie mag die Tischdecken und Stoffservietten im Bedienrestaurant, während Peter beim Gedanken an die Küche ins Schwärmen gerät.
Heike ist ausgebildete Pilates-Trainerin und betreibt ein eigenes Studio in Kassel. Bei ihrer ersten Reise mit der MS Berlin kam ihr der Gedanke, für die Kreuzfahrtgäste ein niederschwelliges Pilates-Training anzubieten. Ihre Bewerbung war erfolgreich und so ist sie nun als Gasttrainerin auf ihrem Lieblingsschiff unterwegs.

Für wen ist die MS Berlin geeignet? Offene Worte

Unsere Testimonials äußerten sich zwar durchweg positiv, aber weder unsere Auswahl noch die Aussagen sind repräsentativ. Selbstverständlich, gab es auch einige unzufriedene Gäste, deren Erwartungen nicht erfüllt wurden. In der Tat ist die MS Berlin nicht für jeden Kreuzfahrtgast das ideale Schiff.
Das Schiff ist wenig geeignet für Familien mit kleinen Kindern, für Menschen mit erheblichen Mobilitätseinschränkungen und für Gäste, die vor allem Entertainment und Party auf einer Kreuzfahrt erwarten.

Die MS Berlin gehört zu den klassischen Kreuzfahrtschiffen. Im Mittelpunkt stehen ausgewählte interessante Reiserouten. Kein Massentourismus, sondern individuelle Reisen in einer überschaubaren Gruppe. Das Schiff ist ideal für Städte-, Bildungs- und Kulturreisen. Auf dem kleinen Schiff geht es ruhig, gepflegt und familiär zu. Es bietet jedoch nicht die Vielfalt an Freizeitattraktionen, aufwändigen Shows, Zerstreuung, Restaurants und Shoppingmöglichkeiten eines modernen Megaliners.

Nachtrag 2020: Statt Jubiläumsfeier das Aus für die MS Berlin

2020 waren diverse Jubiläumsfeierlichkeiten zum 40sten Geburtstag der MS Berlin geplant, doch es kam dann ganz anders. Die Covid-19 Pandemie zwang die FTI Group ihren Geschäftsbereich Kreuzfahrten aufzugeben und das Schiff zu verkaufen. Der neue Eigner,  die Dreamliner Cruises, lies das Schiff zu einer Privat-Yacht umbauen. Die MS Berlin heißt jetzt Dream Goddess.

By By MS Berlin  – Foto: FTI Cruises