Fragen an Lutz Woitas, Experte für Frachtschiffreisen

Als Ergänzung zu unserem Beitrag Abenteuer Frachtschiffreise möchten wir einen Experten zu Wort kommen lassen. Diesen Spezialisten und leidenschaftlichen Seefahrer habe wir in Lutz Woitas gefunden. Woitas vermittelt seit vielen Jahren Frachtschiffreisen. Seit 2008 arbeitet er für die Frachtschiff-Touristik Kapitän Zylmann GmbH mit Sitz in Kappeln. 2010 ging Gründer Peter Zylmann in Rente und Lutz Woitas übernahm die Agentur.

Lutz Woitas und die Crew der Frachtschiff-Touristik Kapitän Zylmann GmbH

DieSchiffsreise: Herr Woitas, an wie vielen Frachtschiffsreisen haben Sie bisher teilgenommen und worin liegt für Sie der besondere Reiz mit einem Frachter unterwegs zu sein?

Lutz Woitas: Ich selbst habe bisher 17 Frachtschiffreisen gemacht. Der Reiz kommt bei mir durch ein allgemeines starkes Interesse an der Seefahrt seit Jugendzeiten. Den Berufswunsch Nautiker konnte ich leider aus persönlichen Gründen nicht verwirklichen (Kurzsichtigkeit). Ich mag Schiffe, die Abgeschiedenheit auf See und interessiere mich für Häfen in aller Welt.

Wann begann Ihre Leidenschaft für Frachtschiffreisen und was war Ihr schönstes Erlebnis? 

Woitas: Meine erste Frachtschiffreise habe ich mit 16 Jahren zusammen mit meinem Vater gemacht, mit einem Küstenmotorschiff von Rotterdam nach Schottland und zurück. Es gab viele schöne Erlebnisse, aber ich denke oft an eine Umrundung unseres Schiffes mit einem kleinen offenen Rescue-Boot bei hoher Dünung im Indischen Ozean zurück, das war ein wirkliches Abenteuer.

Ist eine Frachtschiffreise vor allem ein Männertraum oder sind auch Frauen unter den Passagieren? Gibt es auch Frachter, die für eine Familie oder für Senioren geeignet sind?

Woitas: Wir haben auch viele weibliche Passagiere, auch Alleinreisende oder Ehepaare. Familien sind eher selten, da viele Reedereien ein Mindestalter von 6 oder 12 Jahren für Kinder festgesetzt haben und sehr viele Schiffe nur maximal 3-4 Passagiere mitnehmen können.
Senioren sind sehr zahlreich bei den Passagieren vertreten, da die Altersgruppe ab 65 Jahren zeitlich flexibler ist. Die meisten Reedereien akzeptieren Passagiere bis zu einem Alter von 75-80 Jahren.





Nehmen alle Frachtschiffe zumindest gelegentlich Passagiere mit? Oder sind nur ganz spezielle Frachtschiffe dafür geeignet bzw. zugelassen?

Woitas: Die allerwenigsten Reedereien akzeptieren Passagiere auf ihren Schiffen. Geeignet sind die meisten Schiffe und es gibt auch oft freie Kabinen. Jedoch scheint vielen Reedereien dieses Geschäft zu unbedeutend zu sein oder es bestehen Vorbehalte.

In dem kürzlich erschienenen Buch „Die Mittelmeerreise“ von Hanns-Josef Ortheil haben die beiden Passagiere nur Kontakt zum Kapitän und zur Führungsmannschaft, das Deck- und Maschinenpersonal arbeitet, schläft und isst in einem ganz anderen Bereich des Schiffes. Ist das normal? Ist die Trennung zwischen oben und unten wirklich so deutlich?

Woitas: Auch heute ist der Alltag auf einem Frachter relativ hierarchisch strukturiert. Die Passagiere nehmen die Mahlzeiten im Regelfall zusammen mit der Schiffsführung in der Offiziersmesse ein. Der Kontakt zur Mannschaft ist aber möglich, je nach eigener Initiative.

Wie verbringen die Passagiere normalerweise die Seetage? Gehen die Passagiere nach dem Abendessen in ihre Kabine oder sind die Abende eher gesellig? 

Woitas: Viele Passagiere beobachten die Stimmungen auf dem Meer von der Brücke oder von den Außendecks, lesen oder suchen Kontakt zur Crew, soweit das im Arbeitsalltag möglich ist. Auf größeren Schiffen gibt es abends auch mal Zusammenkünfte in der Messe oder einen Karaokeabend. Sonst besteht im Regelfall Kontakt zu Mitpassagieren, sofern diese vorhanden sind. Soweit das Wetter es zulässt, ist aber ein Grillabend an Deck auf jeder Reise obligatorisch.

Frachter haben keine Stabilatoren. Bei hohem Seegang kann es schon einmal ungemütlich werden. Was sind Ihre persönlichen Tipps gegen Seekrankheit?

Woitas: Das stimmt, kaum ein Handelsschiff verfügt über Stabilisatoren. Ich bin bis zu meinem 28. Lebensjahr regelmäßig auf meinen Reisen seekrank geworden, wenn es stärkere Schiffsbewegungen gab. Nach einer Sturmreise von Lissabon nach Rotterdam war ich davon befreit. Jeder Mensch reagiert verschieden auf bestimmte Bewegungen eines Schiffes, jedoch wirken wohl Scopalmin-Pflaster hinter dem Ohr bei vielen Menschen immer noch am besten.

Welche Route würden Sie einem Einsteiger empfehlen? 

Woitas: Eine kürzere Reise ab Hamburg via Nord-Ostsee-Kanal nach Skandinavien.

Buchempfehlung:

Die Frachtschiff-Touristik Kapitän Zylmann GmbH hat ein eigenes Buch zum Thema Frachtschiffreisen herausgebracht. „Frachtschiffreisen verstehen“ von Kay-Henrik Gödde ist ein leicht verständliches Sachbuch und eine gute Vorbereitungs- und Einstiegslektüre für das Abenteuer Frachtschiffreise. Das Taschenbuch ist bei Amazon für 11,95 € erhältlich.